|
OLG Karlsruhe Beschluß vom 22.3.2017, 1 Ws 8/17
Leitsätze
1. Im Rahmen der Vollstreckungshilfe für einen Mitgliedstaat der
Europäischen Union ist die Prüfung der besonderen Voraussetzungen der §§
84 ff. IRG nicht deshalb entbehrlich, weil zuvor die
Generalstaatsanwaltschaft nach § 83 b Abs.2 lit. b. IRG die Bewilligung
der Auslieferung des Verurteilten unter Hinweis auf eine zur
Resozialisierung besser geeignete Vollstreckung der im Ausland verhängten
Freiheitsstrafe im Inland abgelehnt hat. Die Regelung des Art. 4 Nr. 6
Rb-EuHB, wonach im Falle der Auslieferung zur Strafvollstreckung die
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden kann, wenn
sich die gesuchte Person im Vollstreckungsstaat aufhält, dessen
Staatsangehöriger ist oder dort ihren Wohnsitz hat und dieser Staat sich
verpflichtet, die Strafe oder Maßregel nach seinem innerstaatlichen Recht
zu vollstrecken, ist in Deutschland kein unmittelbar gültiges Recht und
verpflichtet nur zu einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung nationalen
Rechts.
2. Auch im Rahmen der Vollstreckungshilfe für
einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist eine sofortige Aussetzung
einer übernommenen oder umgewandelten Sanktion zur Bewährung im
Exequaturverfahren nicht möglich, vielmehr kann erst nach erfolgter
Übernahme der Vollstreckung der Rest der freiheitsentziehenden Sanktion
zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies entspricht einem allgemeinen und
auch im Rb-Freiheitstrafen zum Ausdruck kommenden Grundsatz der
Vollstreckungshilfe, dass im Falle einer Vollstreckungsübernahme die
Festsetzung der Höhe der Strafe nebst der Möglichkeit der Aussetzung
derselben dem Urteilsstaat vorbehalten ist, wohingegen für die nach
Übernahme zu treffenden vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen das Recht
des Vollstreckungsstaats maßgeblich ist (Fortführung von Senat, Beschluss
vom 31.1.2017, 1 Ws 235/16).
3. Im Rahmen der
Vollstreckungshilfe ist es auch im Hinblick auf die Regelungen des
Rb-Freiheitsstrafen grundsätzlich hinzunehmen, dass andere europäische
Staaten teilweise wesentlich härtere Sanktionen verhängen als solche in
der Bundesrepublik Deutschland für vergleichbare Taten üblich sind; jedoch
können Härten im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens bzw. des
Strafvollzuges berücksichtigt werden und unter anderem für die
Vollstreckungsbehörde die Prüfung gebieten, ob der Verurteilte zum Erhalt
seines Arbeitsplatzes schon in den offenen Vollzug geladen werden
kann.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des
Landgerichts W. vom 22. Dezember 2016 wird unter Aufrechterhaltung des
genannten Beschlusses im Übrigen mit der Maßgabe als unbegründet
verworfen, dass die gegen den Verurteilten durch das Urteil des
Amtsgerichts L/Rumänien vom 11. Juni 2014 i.V.m. dem Strafbeschluss des
Oberlandesgerichts L/Rumänien vom 28. Januar 2015 verhängte
Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten in eine Jugendstrafe von
einem Jahr und fünf Monaten umgewandelt wird.
Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Jedoch wird
die Gebühr um ein Viertel ermäßigt. Von den im Beschwerdeverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse
ein Viertel, im Übrigen behält der Verurteilte diese auf sich.
Gründe
|
|
|
U. - ein 1993 geborener und seit 2013 in Deutschland
lebender rumänischer Staatsangehöriger - wurde durch Urteil
des Amtsgerichts L./Rumänien vom 11.06.2014 zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt,
wobei sich die Strafe nach Bildung einer Gesamtstrafe
zusammensetzt aus einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 24.12.2012) und aus einer
früheren Verurteilung des Amtsgerichts L./Rumänien vom
23.04.2011 wegen Diebstahls (Tatzeit 26./27.11.2010) zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren
ursprüngliche Strafaussetzung zur Bewährung durch das
Amtsgerichts L./Rumänien am 11.06.2014 widerrufen und deren
Teilvollstreckung durch Zusammenlegung der beiden Strafen in
Höhe eines Drittels (fünf Monate) der letztgenannten Strafe
angeordnet wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung des
Verurteilten verwarf das Oberlandesgericht L./Rumänien mit an
diesem Tage rechtskräftig gewordenes Urteil vom
28.01.2015. | |
|
Die Bewilligung der Auslieferung des Verurteilten zur
Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls des
Amtsgerichts L./Rumänien vom 06.02.2015 lehnte die
Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe am 11.06.2015 mit der
Begründung ab, das schutzwürdige Interesse des Verfolgten
gebiete nach § 83 b Abs. 2 Satz 1 lit b IRG die Vollstreckung
der gegen ihn in Rumänien verhängten Strafe im Inland,
insbesondere bestehe die Chance, dass der Verurteilte hier als
Freigänger seinen Arbeitsplatz behalten könne. Am 08.01.2016
ging sodann bei den deutschen Justizbehörden ein
Vollstreckungsübernahmegesuch der rumänischen Justizbehörden
unter Beifügung einer vom 28.09.2015 datierenden Bescheinigung
nach Art. 4 des Rahmenbeschlusses 2008/909/Ji des Rates vom
27.11.2008 sowie - nachgereicht - vor allem das Urteil des
Amtsgerichts L./Rumänien vom 11.06.2014 und der Strafbeschluss
des Oberlandesgerichts L./Rumänien vom 28.01.2015 ein. Die dem
Verurteilten insoweit zu Last liegenden Taten werden in der
vom 28.09.2015 datierenden Bescheinigung nach Art. 4 des
Rahmenbeschlusses 2008/909/J des Rates vom 27.11.2008 wie
folgt umschrieben: |
|
|
Nach Anhörung des Verurteilten hat das Landgericht W. mit
Beschluss vom 22.12.2016 die Vollstreckung der durch Urteil
des Amtsgerichts L./Rumänien vom 11.06.2014 i.V.m. dem
Strafbeschluss des Oberlandesgerichts L./Rumänien vom
28.01.2015 verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf
Monaten in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar
erklärt, die durch das oben genannten Urteil verhängte
Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und
fünf Monaten festgesetzt und die Anrechnung der in der Zeit
vom 11.02.2015 bis 18.02.2015 erlittenen Auslieferungshaft auf
die Freiheitsstrafe angeordnet. | |
|
Gegen die dem Verurteilten am 31.12.2016 zugestellte
Entscheidung hat sein Verteidiger am 09.01.2017 sofortige
Beschwerde eingelegt und - ergänzt durch ein persönliches
Schreiben des Verurteilten vom 05.02.2017 - der Sache nach
vorgetragen, dass der Verurteilte in Rumänien kein faires
Verfahren erhalten und gegen ihn wegen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis die nach deutschem Recht zulässige Höchststrafe
von einem Jahr festgesetzt worden sei, weshalb die von
Amtsgericht L./Rumänien verhängte Strafe sogleich zur
Bewährung ausgesetzt werden müsse. |
|
|
Die gemäß § 84g Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1
IRG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere
fristgerecht eingelegte (§ 77 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Nr. 1 IRG, §
311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde ist nur teilweise
begründet. | |
|
Die Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse über
freiheitsentziehende Sanktionen in der Bundesrepublik
Deutschland richtet sich im Bereich des hier in Rede stehenden
Vollstreckungshilfeverkehrs mit einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union nach §§ 84 ff. IRG in der seit dem
25.07.2015 geltenden Fassung, durch die der Rahmenbeschluss
2008/909/JI des Rates vom 27.11.2008 über die Anwendung des
Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in
Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder
Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in
der Europäischen Union (ABl. L 327 vom 05.12.2008, S. 27 - im
Folgenden: Rb-Freiheitsstrafen) umgesetzt worden ist (OLG
Saarbrücken, Beschluss vom 10.06.2016 - 1 Ws 64/16, abgedruckt
bei juris). | |
|
1. Insoweit haben die rumänischen Justizbehörden ihr
Gesuch um Übernahme der Strafvollstreckung unter Hinweis auf
den in Rumänien am 26.12.2013 ins nationale Recht umgesetzten
Rb-Freiheitsstrafen (§ 84 Abs.2 Nr. 2 IRG) und unter
Verwendung der dort in Artikel 4 vorgesehenen und in der
Anlage 1 aufgeführten vollständig ausgefüllten Bescheinigung
(§ 84c IRG) nebst den der Verurteilung zugrunde liegenden
Erkenntnissen (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/4347 S. 117 f.) in
deutscher Sprache übermittelt, so dass zunächst den formalen
Anforderungen Rechnung getragen ist. Die Vorlage des in die
Verurteilung des Amtsgerichts L./Rumänien vom 11.06.2014 mit
einbezogenen Urteils des Amtsgerichts L./Rumänien vom
23.04.2011 war vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, da sich
die insoweit notwendigen und für den Senat relevanten Daten
aus den vorgelegten Urteilen sowie der Bescheinigung nach Art.
4 des Rahmenbeschlusses 2008/909/Ji des Rates vom 27.11.2008
hinreichend ergeben. | |
|
2. Die Prüfung der besonderen Voraussetzungen der §§ 84
ff. IRG ist auch in sachlicher Hinsicht geboten. Sie ist nicht
deshalb entbehrlich, weil die Generalstaatsanwaltschaft
Karlsruhe am 11.06.2016 die Bewilligung der Auslieferung des
Verurteilten unter Hinweis auf eine zur Resozialisierung
besser geeignete Vollstreckung der durch das Amtsgerichts
L./Rumänien am 11.06.2014 verhängten Freiheitsstrafe in
Deutschland abgelehnt hat. Zwar sieht Art.4 Nr. 6 Rb-EuHB vor,
dass im Falle der Auslieferung zur Strafvollstreckung die
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden
kann, wenn sich die gesuchte Person im Vollstreckungsstaat
aufhält, dessen Staatsangehöriger ist oder dort ihren Wohnsitz
hat und dieser Staat sich verpflichtet, die Strafe oder
Maßregel nach seinem innerstaatlichen Recht zu vollstrecken.
Der Rb-EuHB ist jedoch kein in Deutschland unmittelbar
gültiges Recht, er verpflichtet allerdings auch die deutschen
Gerichte zu einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung des
nationalen Rechts (vgl. hierzu EuGH NJW 2013, 141 - Pupino -).
Diese europarechtliche Vorgabe entbindet aber den Senat nicht
von der Beachtung zwingender Vorschriften des nationalen
Rechts, welche auch dem Schutz des Verfolgten dienen (vgl.
hierzu OLG Celle StraFo 2016, 431 für den Fall einer von
Deutschland erteilten Zusicherung der Rücküberstellung des
Verfolgten). Dies entspricht auch der Bewertung des
Gesetzgebers, welcher in § 84a Abs. 3 Satz 1 IRG die Prüfung
der beiderseitigen Vollstreckbarkeit nach § 84a Abs.1 Nr. 2
IRG lediglich dann für entbehrlich angesehen hat, wenn der
Verfolgte nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG zuvor seiner
Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung nicht
zugestimmt hat (vgl. hierzu Bt.-Drucks. 18/4347 S.111).
Insoweit ergibt die vorliegende Prüfung indes, dass das
nationale Recht einer Vollstreckungsübernahme nicht
entgegensteht. | |
|
a. Die vom Amtsgerichts L./Rumänien am 11.06.2014 i.V.m.
dem Strafbeschluss des Oberlandesgericht L./Rumänien vom
28.01.2015 gegen den Verurteilten verhängte Freiheitsstrafe
von einem Jahr und fünf Monaten ist rechtskräftig und i.S.d. §
84a Abs.1a IRG auch vollstreckbar. | |
|
b. Sie kann nach § 84a Abs. 1b IRG i.V.m. § 84g Abs. 5 Nr.
2 IRG auch in eine Sanktion umgewandelt werden, die ihr im
deutschen Recht am meisten entspricht. Entgegen der Ansicht
der Strafvollstreckungskammer ist eine solche Umwandlung
vorliegend ausnahmsweise (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom
31.1.2017, 1 Ws 235/16) geboten, weil der Verurteilte zum Zeit
der ihm zu Last gelegten Taten das 21. Lebensjahr noch nicht
vollendet hatte. Zwar wäre allein wegen der vom Verurteilten
am 24.12.2012 im Alter von 19 Jahren begangenen
Verkehrsstraftat auch die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht
in Betracht gekommen (zur Anwendung des Zweifelssatzes in
solchen Fällen vgl. aber BGHSt 12, 116; Schomburg/Hackner in
Schomburg/Lagodny/Gless/Hackner, Internationale Rechtshilfe in
Strafsachen, 5. Auflage 2012, § 54 Rn. 13), das Amtsgerichts
L./Rumänien hat jedoch in die von ihm gebildete
Gesamtfreiheitsstrafe eine eigene frühere Verurteilung vom
23.04.2011 wegen Diebstahls mit einbezogen, wobei der
Verurteilte diese Tat im Alter von 17 Jahren am 26./27.11.2010
begangen hatte. Insoweit erscheint es geboten, das für den
Verurteilten insgesamt günstigere Jugendstrafrecht zur
Anwendung zu bringen und die gegen ihn in Rumänien verhängte
Freiheitsstrafe in eine Jugendstrafe gleicher Höhe als die dem
deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion umzuwandeln.
Eine Reduzierung der Sanktionshöhe ist rechtlich nicht
zulässig, da § 84g Abs. 4 Satz 1 IRG eine solche nur zulässt,
wenn die durch das ausländische Erkenntnis verhängte Sanktion
das Höchstmaß überschreiten würde, welches im Geltungsbereich
dieses Gesetzes für die Tat angedroht ist. Soweit es die vom
Amtsgerichts L./Rumänien am 11.06.2014 in die Gesamtstrafe von
einem Jahr und fünf Monaten einbezogene Freiheitsstrafe von
einem Jahr für das Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis
betrifft, ist dies jedoch nicht der Fall, da § 21 Abs.1 Nr.1
StVG einen Strafrahmen von einem Jahr als Höchststrafe
vorsieht, für eine fahrlässige Begehung nach § 21 Abs. 2 Nr.1
StVG nach den Urteilsgründen kein Raum ist und auch die hier
gebotene Umwandlung der Sanktion in eine Jugendstrafe
jedenfalls nicht zur einer reduzierenden Begrenzung des
Strafrahmens führt (Eisenberg, JGG, 18. Auflage 2016, § 18 Rn.
11). Auch die vom Verteidiger angeregte sofortige Aussetzung
der umgewandelten Sanktion der Jugendstrafe zur Bewährung ist
im Exequaturverfahren selbst nicht möglich, vielmehr kann erst
nach erfolgter Übernahme der Vollstreckung der Rest der
freiheitsentziehenden Sanktion zur Bewährung ausgesetzt
werden. Dies entspricht einem allgemeinen und auch im
Rb-Freiheitstrafen zum Ausdruck kommenden Grundsatz der
Vollstreckungshilfe, dass im Falle einer
Vollstreckungsübernahme die Festsetzung der Höhe der Strafe
nebst der Möglichkeit der Aussetzung derselben dem
Urteilsstaat vorbehalten ist, wohingegen für die nach
Übernahme zu treffenden vollstreckungsrechtlichen
Entscheidungen das Recht des ersuchten Staates bzw. des
Vollstreckungsstaats maßgeblich ist (vgl. Senat, Beschluss vom
31.1.2017, 1 Ws 235/16; BVerfG EuGRZ 2009, 46 ff.; ferner
Schomburg/Hackner, a.a.O., § 54 Rn. 9; Bt.-Drucks. 18/4347, S.
133). | |
|
c. Auch die hier erheblichen weiteren einfachen und
ergänzenden Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 84a Abs. 1
Nr. 2, Abs. 3 und 4, 84b IRG sind
gegeben. | |
|
aa. Das Vorliegen der beiderseitigen Strafbarkeit ist nach
§§ 84a Abs.1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 IRG nicht zu prüfen,
gleichwohl sind die dem Verurteilten zur Last liegenden
Straftaten auch nach deutschem Recht nach §§ 242, 53 StGB, §
21 Abs.1 StVG strafbar. | |
|
bb. Der Verurteilte besitzt zwar nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit, unterhält hier jedoch seit 2013
rechtmäßig auf Dauer seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 84a
Abs. 1 Nr. 3a IRG), wie bereits die Generalstaatsanwaltschaft
in ihrem Bescheid vom 11.06.2016 für den Senat in
rahmenbeschlusskonformer Auslegung des RB-Freiheitsstrafen
maßgeblich festgestellt hat, weshalb sein Einverständnis mit
der Übernahme der Vollstreckung vorliegend entbehrlich ist (§
84a Abs. 1 Nr.3c, Abs. 4 IRG). | |
|
cc. Zwar ist der der Verurteilte zur Hauptverhandlung vor
dem Amtsgerichts L./Rumänien am 11.06.2014 nicht erschienen,
so dass das Urteil in seiner Abwesenheit ergangen ist, in
Abweichung von § 84b Abs. 2 Nr. 1 IRG ist die Übernahme der
Vollstreckung gleichwohl rechtlich zulässig, da der Verurteile
in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger
bevollmächtigt hat, ihn in der Verhandlung zu verteidigen, und
der Verurteilte in der Verhandlung auch tatsächlich durch
diesen verteidigt wurde (§ 84b Abs. 3 Nr. 3 IRG). Insoweit
ergibt sich sowohl aus den Gründen des Urteils des
Amtsgerichts L./Rumänien vom 11.06.2014 als auch des
Strafbeschlusses des Oberlandesgericht L./Rumänien vom
28.01.2015, dass es sich bei Rechtsanwalt C. um den
Wahlverteidiger des Verurteilten handelte. Dass dieser – wie
der Verurteilte meint – ihn nicht sachgerecht verteidigt habe,
beseitigt die Wirksamkeit seiner Bevollmächtigung nicht. Da
das rechtliche Gehör insoweit bereits im Verfahren vor dem
Amtsgerichts L./Rumänien gewahrt war, kommt es nicht darauf
an, ob im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht
L./Rumänien am 28.01.2015 eine umfassende Hauptverhandlung
durchgeführt wurde oder eine solche aus verfahrensrechtlichen
Gründen nicht geboten war, denn auch im Rahmen der
Vollstreckungshilfe gelten die besonderen Anforderungen für
Abwesenheitsurteile im Berufungsverfahren nur dann, wenn in
diesem erstmals eine gerichtliche Verurteilung ausgesprochen
oder aber die Strafe über das in erster Instanz verhängte
Strafmaß hinaus erhöht wurde (vgl. Senat, Beschlüsse vom
31.1.2017, 1 Ws 235/16, und 12.08.2013, 1 Ws 142/12 - jeweils
abgedruckt bei juris sowie in StraFo 2015, 384; OLG Köln
StraFo 2015, 77; OLG Stuttgart StV 2005, 3284), was vorliegend
nicht der Fall ist. | |
|
dd. Auch Vollstreckungsübernahmehindernisse liegen nicht
vor. Da nach Art. 1 Abs. 4 Rb-Freiheitsstrafen die Grundrechte
und die allgemeinen Grundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrages
über die Europäische Union zu achten sind, findet § 73 Satz 2
IRG schon aufgrund einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung
Anwendung, ohne dass es eines Rückgriffs auf Grundrechte oder
einer ausdrücklichen Erwähnung in den Vorschriften der §§ 84
ff. IRG bedürfte (Senat, Beschluss vom 31.1.2017, 1 Ws
235/17). Eine Vollstreckungshilfe, die gegen Grundrechte und
allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstößt, wäre
nämlich unzulässig und darf auch nicht nach Maßgabe der §§ 84
ff. IRG bewilligt werden (so auch BT-Drucks. 18/4347 S. 36;
vgl. hierzu auch Schomburg/Hackner in:
Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in
Strafsachen, 5. Aufl. 2012, § 49 Rn.
24c). | |
|
Dass das Recht des Verurteilten auf ein faires Verfahren
vor dem Amtsgericht L./Rumänien verletzt gewesen sein könnte,
vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit der Verurteilte
nunmehr vorträgt, er habe nicht alle maßgeblichen Gründe zu
seiner Verteidigung vortragen können, beruht dieser Umstand
maßgeblich darauf, dass er aus eigenem Entschluss zur
Verhandlung selbst nicht erschienen ist, seine Verteidigung
einem beauftragten Verteidiger überließ und diesen ggf. nicht
ausreichend informierte. Diese Defizite hat er jedoch selbst
zu verantworten und sind nicht der rumänischen Justiz
anzulasten. | |
|
Ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der deutschen
Rechtsordnung ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass
die Vollstreckung des ausländischen Erkenntnisses in
Deutschland eine unerträgliche Härte, mithin einen Verstoß
gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellen könnte
(vgl. Senat NStZ 2005, 351 sowie Beschluss vom 08.11.2012, 1
AK 19/12, abgedruckt bei juris). Danach wäre die Leistung von
Rechtshilfe als unzulässig anzusehen, wenn die ausländische
Rechtsfolge schlechterdings unerträglich und in keiner Weise
mehr vertretbar wäre; dass sie als hart oder sogar in hohem
Maße hart anzusehen ist, genügt nicht (vgl. Brandenburgisches
Oberlandesgericht, Beschluss vom 26.04.2010, 1 Ws 19/10,
abgedruckt bei juris). Insoweit ist allerdings nicht zu
verkennen, dass die vom Amtsgericht L./Rumänien am 11.06.2014
verhängte Freiheitstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf
den ersten Blick als durchaus hart anzusehen ist, auch wenn
diese aus zwei Einzelstrafen von einem Jahr für ein Vergehen
des Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie einem Jahr und drei
Monaten für ein Vergehen des noch als Jugendlicher begangenen
Einbruchsdiebstahls gebildet wurde. Sie ist aber auch im
Hinblick auf die gegen den Verurteilten verhängte Einzelstrafe
von einem Jahr wegen des Verkehrsdelikts nicht schlechterdings
unerträglich, zumal der Verurteilte diese Tat unter einer
laufenden Bewährung begangen hatte. Insoweit ist es im Rahmen
der Vollstreckungshilfe und gerade im Rahmen des
Rb-Freiheitsstrafen hinzunehmen, dass andere europäische
Staaten teilweise wesentlich härtere Sanktionen verhängen als
solche in der Bundesrepublik Deutschland für vergleichbare
Taten üblich sind. Insoweit ist der Senat jedoch der Ansicht,
dass jedenfalls besondere Härten im Rahmen des
Vollstreckungsverfahrens bzw. des Strafvollzuges
berücksichtigt werden können und hier entsprechend der Vorgabe
der Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Bescheid vom 11.06.2015
die Prüfung gebieten, ob der Verurteilte zum Erhalt seines
Arbeitsplatzes schon in den offenen Vollzug geladen werden (§
7 JVollzGB III BaWü) und/oder eine vorzeitige Entlassung (§ 88
JGG; vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 05.02.2015, III – 2
Ws 33/15, abgedruckt bei juris) möglich sein könnte (Senat,
Beschluss vom 31.1.2017, 1 Ws 235/16; BT-Drucks. 18/4347, S.
134; Hackner in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a.a.O., § 57
Rn. 20). | |
|
3. Schließlich ergibt die nach § 84g Abs. 3 IRG nunmehr
auch dem Senat im Beschwerdeverfahren obliegende Überprüfung,
dass die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen,
Bewilligungshindernisse nach § 84d IRG nicht geltend machen zu
wollen, rechtsfehlerfrei ausgeübt hat (vgl. hierzu auch
BT-Drucks. 18/4347 S. 126 ff.). |
|
|
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten war daher mit
der sich aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe als unbegründet
zu verwerfen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf
§§ 84 Abs. 2 Nr. 1, 77 Abs. 1 IRG i.V.m. § 473 Abs. 1, Abs. 4
StPO. |
|
|